Dokumentation - Moskauer Circus 2018

Backstage - Zwischenzone von Realität und Illusion

 

Die Serie umfasst insgesamt 30 Fotoarbeiten, ausgearbeitet in Schwarz/Weiß, nicht aus Nostalgiegründen, sondern vielmehr um unserer, sich in Hochglanz präsentierenden Welt, etwas entgegenzusetzen. Mein Anliegen war es das Wesentliche dieser Zirkuswelt einzufangen oder wenn man so will – ich nehme das Schwarz/ Weiß als Metapher für das Drinnen und Draußen einer Welt, die den meisten von uns fremd ist.......


PRESSETEXT - ZIRKUS

Moskauer Circus 2018 Backstage - Zwischen Realität und Illusion

 

In Deutschland gab es 2013 etwa 360 Zirkusse, 90 Prozent davon waren kleine Betriebe.

Die Fotoserie Dokumentation - Moskauer Circus 2018 Backstage - Zwischen Realität und Illusion ist mein „Spätwerk“, das sich mit einem dieser kleinen Betriebe künstlerisch befasst. Spät deshalb, weil ich im Zirkus geboren wurde und eine sehr lange Zeit vergehen musste bis ich mich dem Thema fernab der Kinderaugen, zuwenden konnte. Vielleicht weil ich meine Herkunft als Zirkuskind verdrängt habe, wurde diese doch gleichgesetzt mit Zigeuner, deren Ruf zu jener Zeit eher zweifelhaft war.

Ich war fünf Jahre alt als meine Eltern den Zirkus verließen und kehrte nie mehr dorthin zurück. Bis jetzt. Mein Verhältnis zum Zirkus war über all die Jahre ambivalent. Das Geschäft mit der Angst vor dem Absturz der Akrobaten, dem inszenierten Nervenkitzel, ebenso wie die fragwürdige Tierhaltung war mir suspekt. Durch André Heller und Bernhard Paul (Circus Roncalli) bekam der Zirkus für mich eine neue poetische Dimension. Sie brachten eine innere Wende, Achtung und Wohlwollen den Zirkusleuten gegenüber, eine Veränderung meiner Sicht der Dinge, die ich mit Freude und Begeisterung wahrgenommen habe.

 

Nach nunmehr vierzig Jahren Berufsfotografie und den damit verbundenen Einblicken in die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten wurde mir bewusst, dass die Zirkusleute ein besonderer Menschenschlag sind. Nicht nur, dass die Scheidungsquote gerade mal bei fünf Prozent liegt, sondern weil jeder Einzelne mit Herzblut arbeitet und keiner dieser Menschen eine „niedere Arbeit“ als Schande empfindet. Alle arbeiten für ein Projekt, ein gemeinsames Ziel, ganz gleich welchen Status jemand hat. Vergleichsweise gibt es diese Arbeitsteilung weder im Theater noch beim Film.

 

Ich habe mir für meine Arbeiten bewusst einen kleinen, wenig spektakulären Zirkus (Moskauer Circus) gewählt. Ich war beeindruckt mit wie viel Traditionsliebe dort über Generationen hinweg gearbeitet wird. Die Familie Frank beruft sich auf die Anfänge von 1861, eine Zeit der Gaukler, weit entfernt vom heutigen Zirkusbetrieb. Meine Sicht auf den Zirkus porträtiert somit nicht die erfolgreichen zehn Prozent, sondern vielmehr die kleineren Betriebe.

 

Zu den Arbeiten:

Backstage - Zwischen Realität und Illusion. Prints: Fine Art Photoreg 20X30cm s/w

Es gibt kaum Fotos von der Manege an sich. Dieser Part entspricht nicht meiner Intention und ist genügend dokumentiert. Fasziniert hat mich primär der Innenraum im Verhältnis zur Glitzerwelt im Außen. Ich zeige die Anspannung und die gleichzeitige Natürlichkeit der Artisten vor ihrem Auftritt, als auch das Treiben abseits und hinter dem Glamour des Zirkuszeltes.

Alle wuseln irgendwie immer herum – Bewegung in einer seltsam anmutenden Aura von innerer Gelassenheit. Nach und nach hat sich bei mir das Gefühl von: „ Hier sind wir - und dort die Anderen“, eingestellt. Der Zirkus - eine geschlossene Gemeinschaft ohne elitären Anspruch.

Die Haltung dieser Menschen ist schwer von außen zu erkennen aber deutlich spürbar: „Wir sind eine große Familie!“ Es gibt wohl kaum einen anderen Ort wo Familie und Arbeit so eng miteinander verbunden sind, vielleicht noch bei den Schaustellern. Für mich birgt dies eine große Faszination.

Mir als „Anderer“ hat ein altes Foto von meinem Vater und mir - wir stehen vor einem Zirkuswagen aus dem Jahr 1954 - den Zugang zu den Artisten erleichtert. So haben sie mich weniger als Pressefotograf wahrgenommen, sondern als Einen ihresgleichen. Es hat ein wenig gedauert und es war notwendig im Rhythmus des Zirkuslebens mitzuschwingen um das Vertrauen der Menschen dort zu gewinnen. Mir war bewusst, zu viel Voyeurismus verführt die Artisten zum professionellem Posing und gerade das wollte ich vermeiden.

Letztendlich erschien es mir so, dass bei allen Neuerungen die es heute gibt, die Zeit stillgestanden hat. Alles war deckungsgleich mit meinem Erinnerungsgefühl.